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Die Welt gehört den Mutigen.

Im vergangenen Newsletter haben wir darüber gesprochen, dass viele Probleme – im privaten wie im beruflichen Bereich – voraussichtlich gar nicht erst entstünden, würden wir bei Zeiten einfach miteinander reden. Dass das vor allem in der (beruflichen) Praxis wenn überhaupt erst dann passiert, wenn das Kind schon in den berühmten Brunnen gefallen ist, verdeutlicht die Tatsache, dass laut einer Studie des unabhängigen Marktforschungsinstituts YouGov aus dem Jahre 2021, die von LinkedIn in Auftrag gegeben wurde, beinahe die Hälfte der Befragten angab zu denken, dass es ihnen beziehungsweise ihrer Karriere schaden würde, wenn sie am Arbeitsplatz offen über psychische Belastungen sprechen würden.

Solche Zahlen sind ja schnell mal hingeschrieben. Nur eben ein paar Studien überflogen, die plakativsten Aussagen herausgesiebt und ZACK … Aber im Ernst jetzt, führen Sie sich das bitte mal vor Augen: Jede*r zweite Kolleg*in hat Angst davor, Ihnen davon zu erzählen, dass er beziehungsweise sie psychisch angeknockt ist? Das zieht einem doch die Socken aus! An dieser Stelle darf man sich auch gerne mal fragen, wie vielen der aktuell 99 Abonnenten dieses Newsletters (vielen Dank im Übrigen für Ihr Interesse 🤘🏼) es gerade in der Sekunde, in der sie das hier lesen, genauso geht. … Okay, mal kurz reflektieren … So, genau. … Oh, Sie fühlen sich ertappt? Ihnen wird ein wenig heiß und Sie rutschen unruhig auf Ihrem Stuhl hin und her? Ja? Das kann jetzt zwei Ursachen haben: Entweder Sie gehören der Gruppe derjenigen an, die Angst davor hat, als psychisch labil stigmatisiert die eigene Karriere in den Wind zu schießen oder, und das wäre die zweite Möglichkeit, es plagt Sie Ihr schlechtes Gewissen, Ihren Kolleg*innen vielleicht keinen ausreichend sicheren Raum angeboten haben, um mit Ihnen offen über ihre psychischen Probleme zu sprechen.

Sie müssen sich deswegen jetzt nicht gleich (noch) schlecht(er) fühlen, als es ohnehin schon der Fall ist – ich verstehe das. Beides. Leider gehört heute immer noch eine große Portion Mut dazu, die eigene psychische Gesundheit offen zu thematisieren. Ob privat oder beruflich, Menschen die unter psychischen Belastungen zu leiden haben, leiden großteils zusätzlich unter der erdrückenden Angst, als ungenügend, minderwertig und so letztendlich unbrauchbar stigmatisiert zu werden, wenn sie offen über ihren seelischen Zustand sprechen. Vielen fällt das sogar in einem extra dafür ausgelegten, therapeutischen Setting schwer. Mindestens zu Beginn – fragen Sie gerne bei meinem Therapeuten nach.

Gott. Sei. Dank. Bin ich nicht der einzige, dem dieses Thema ein Herzensthema ist. Durch den Hinweis eines diesbezüglich ebenfalls sehr engagierten Kontaktes hier auf LinkedIn (danke nochmals, Martin Fankhauser – an dieser Stelle empfehle ich allen Interessierten unbedingt mal auf www.ganzabnormal.com und auf einer der kommenden Ausstellungen vorbeizuschauen), habe ich am vergangenen Wochenende den Verein Mutmachleute e.V. und drei seiner Gründungsmitglieder (Tina Meffert, Maximilian Laufer und Andreas Dasser) kennenlernen dürfen. Die Mutmacher*innen setzen sich dafür ein, das Stigma psychischer Erkrankungen zu beenden. Mit seiner Öffentlichkeitsarbeit will der Verein erreichen, dass Betroffene und Angehörige endlich Gesicht zeigen können – ohne Scham und Angst vor Stigmatisierung. Mutmachleute e.V. sensibilisiert die Öffentlichkeit auf das Thema, indem er Betroffenen eine Stimme gibt, und zeigt, dass jeder Mensch jederzeit von einer psychischen Erkrankung betroffen sein kann.

Die Mutmacher*innen zeigen mit ihrer Geschichte, welchen Weg sie gegangen sind, was ihnen hilft und wo ihre Stärken liegen, welche Wünsche und Träume sie haben. Indem sie Farbe bekennen und ihr Gesicht zeigen, kämpfen sie gegen das Stigma, das ihnen von großen Teilen der Gesellschaft auferlegt wurde. Und genau um letzteres ging es am Wochenende. Für die am 14. Januar 2023 im Foyer der Kreissparkasse Starnberg startende deutschlandweite Road Show trafen sich engagierte Menschen in München zum Fotoshooting. Mit lebensgroßen Aufstellern und einem Infostand ringt der Mutmachleute e.V. deutschlandweit an den unterschiedlichsten Orten um Aufmerksamkeit. Die Mutmacher*innen wollen so Begegnungen auf Augenhöhe und Gespräche mit Betroffenen, Interessierten, Angehörigen und Passant*innen initiieren und einen Austausch zu den Themen Selbsthilfe und Selbstwirksamkeit mit Selbsthilfeerfahrenen und -gruppen vor Ort anbieten.

Die Geschichte der Mutmacher*innen ist sicherlich nur eine von vielen. Aber eine die Mut macht. Ob für selber Betroffene, Angehörige, Freunde oder Kollegen – wir sitzen alle im gleichen Boot. Und wir alle sind gefragt, unseren Teil zu der längst überfälligen Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beizusteuern.

Weitere hoffentlich ebenso inspirierende Geschichten hören wir am 1. Internationalen HR-Frühschoppen, den THE ELEPHANT ROOM am Donnerstag dieser Woche von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr veranstaltet. Schauen Sie doch auch vorbei und diskutieren Sie mit. Ich würde mich freuen …