Seite wählen

Vom Scheitern und anderen Erfolgserlebnissen.

Letzte Woche hatte ich die große Freude, länger mit einem ehemaligen Kollegen zu sprechen. Wobei „Kollege“ eigentlich ein wenig zu kurz gesprungen ist … Wir haben vor mehr als 10 Jahren in der gleichen Agentur gearbeitet, er als Kreativdirektor, ich als Etatdirektor – Direktoren unter sich sozusagen 😂 Dabei hatten und haben wir beide im Grunde genommen so gar nichts vom gängigen Bild eines Direktors. Innerlich hatten wir beide zu dem Zeitpunkt bereits mit unserer Karriere gebrochen – auch wenn mir das damals noch nicht so klar war wie ihm. Nach einer Handvoll gemeinsamer Monate verließ er Agentur (und Land) und gründete eine Familie auf der anderen Seite des Atlantiks. Ich verließ die Agentur nur wenig später um mich zielsicher auf meinen ersten Burnout zuzubewegen, was zu jenem Zeitpunkt jedoch noch nicht so absehbar war. Und so verloren wir uns aus den Augen.

Hier auf LinkedIn sind wir uns dann wieder über den Weg gelaufen. Um genau zu sein, bin ich mit The Elephant Room ihm über den Weg gelaufen. Wie sich dann in unserem Zoom herausgestellt hat, hat ihn auch sein Weg in der Zwischenzeit zum Coaching geführt. Natürlich bereits Jahre bevor The Elephant Room das Licht der Welt erblickt hatte. Nicht das erste Mal, dass der Gute mir voraus war. Fast immer eigentlich, wenn ich es mir recht überlege. Nur „sein“ VfB steht in schöner Regelmäßigkeit hinter „meinem“ FCB. Aber das ist ein anderes Thema …

Vielleicht kennen Sie das – man hat sich Jahre lang (in unserem Fall eine ganze Dekade) nicht gehört, geschweige denn gesehen und trotzdem stellt sich innerhalb von Augenblicken eine wunderbare Vertrautheit ein. Dann wirkt es beinahe so, als wäre es erst gestern gewesen, als man gemeinsam das Finale Dahoam beweint hatte. Ich zugegebenermaßen mehr als er natürlich. Die Stunden verfliegen in Erzählungen von dem, was man in den vergangenen Jahren so alles erlebt hat. Von all den Errungenschaften und Erfolgen, auf die man zu Recht mit Stolz zurückblicken darf, aber – und hier wird’s interessant – auch von all den Niederlagen, die man einstecken musste. Zwar nicht ohne Bedauern, aber dennoch frei von Scham. Und vielleicht war es eben jener Moment, in dem uns beiden bewusst geworden ist, wie sehr uns das gemeinsame Miteinander in den vergangenen Jahren gefehlt hatte.

Denn obwohl wir an unseren Niederlagen deutlich mehr wachsen, als an unseren Erfolgen und viele Erfolge ohne die Niederlage im Vorfeld wohl gar nicht erst zustande gekommen wären, neigen wir in der Regel dazu, den Niederlagen meist einen weitaus geringeren Wert zuzuschreiben. Uns gar für sie zu schämen. Sie bei den Geschichten über die Vergangenheit eher auszulassen, als sie zu thematisieren oder sie gar in den Mittelpunkt eines Gesprächs zwischen zwei alten Bekannten zu stellen. Weil bei uns läuft ja immer alles super (mein Haus, mein Auto, meine Frau), wir eilen von einem Highlight zum nächsten und wenn’s dann doch mal schwieriger werden sollte, gibt’s an jeder Ecke einen Coach, der uns und unser Leben zu perfektionieren im Stande ist:

·      Wie Sie in Ihrem Leben endlich durchstarten können. Klicken Sie hier!

·      Wie auch Sie endlich zu einem Six Pack kommen. Ich zeige Ihnen wie!

·      Endlich Sechsstellige Umsätze für Ihr Sie. Besuchen Sie mein Webinar!

Oh Mann, ich hab sie echt über, diese Marktschreier! Nicht nur versprechen Sie uns das Blaue vom Himmel, sie reiben uns mit ihren klinisch perfekten Selbstdarstellungen auch andauernd und ungefragt unter die Nase, dass nur mit amtlichen Sixpack erreichte sechsstellige Umsätze ein erstrebenswertes Leben darstellen. Und bevor wir irgendjemandem (vor allem uns selbst) gegenüber zugeben müssen, dass wir vielleicht doch nicht so super sind, knüpfen sie uns schnell ein paar Tausender ab um uns vor diesem völlig untragbaren Zustand zu bewahren. Als käme es einem Vernichtungsurteil gleich, wenn wir zugeben würden, dass unser Leben zwischendurch auch mal eher so semi ist. Dass wir auch mal struggeln in unserem Leben. Dass wir herbe Niederlagen kassieren müssen und nicht ausschließlich auf unserem rosaroten Einhorn von glitzernder Erfolgswolke zu glitzernder Erfolgswolke hüpfen.

Diejenigen unter uns, die bereits das Vergnügen hatten, für ein amerikanisches Unternehmen tätig sein zu dürfen, kennen ihn, den Begrüßungsklassiker: »Hi, how are you?« »Fine, thanks. How are you?« Ist nur so eine These – aber hat sich das vielleicht von da aus einem Krebsgeschwür gleich in unser Leben ausgebreitet? Das immer alles super ist? Oder dass wir das zumindest andauernd behaupten? »I am so fucking fine right now, it’s freaking awesome, dude! Look at me …« An dieser Stelle käme dann vielleicht noch das entsprechende Instagram Profil ins Spiel. Aber auf diesem Medium habe ich ja bereits in einer der letzten Ausgaben ausgiebig herumgehackt. Ich persönlich halte es da, ehrlich gesagt, lieber mit den Wienern und ihrem berühmten Wiener Schmäh. Da klingt der klassische Small Talk zur Begrüßung nämlich eher so: »Na, wie geht’s?« »Ja eh auch Scheiße.«

Aber zurück zu meinem eingangs erwähnten Zoom. Mir hat es verdammt gutgetan, von meinem leider völlig gefloppten Print Mailing zu erzählen, das ich zur Eröffnung von The Elephant Room an 100 HR Abteilungen verschickt hatte in der Hoffnung, die hätten nur auf einen wie mich gewartet. Und ich denke, bei der verifizierten Klickanzahl (fünf, von denen zwei auf mein eigenes Konto gehen) auf die QR-Codes des Flyers, darf man ruhigen Gewissens von einem veritablen Flop sprechen. Die ehrliche Aufmunterung meines Gegenübers zu spüren und im Anschluss zu diskutieren, was ich hätte anders machen können und was ich sonst noch aus diesem Fehltritt mitgenommen habe, abgesehen von den Produktionskosten, dem Porto und dem Honorar für die sensationelle Copywriterin, die mir lieberweise selbiges noch immer stundet (Vielen Dank, liebste Katharina Liebelt, an den Texten hat es sicher nicht gelegen 😘), war einfach so viel wertvoller als jedwedes Schulterklopfen, bei dem man ja auch nie weiß, wieviel Neid und Missgunst da in Wahrheit noch mitschwingen.

Also Leute, traut Euch mal einen Blick hinter Eure perfekten Fassaden zuzulassen. Eurem Gegenüber und vor allem Euch selbst. Ihr werdet staunen, was Ihr da alles Tolles entdecken werdet. Und Dir lieber Uwe Gesierich danke ich an dieser Stelle nochmal ganz besonders. Für die Ein- und vor allem die Ausblicke. Bis ganz bald 🤘🏼.